Allgemeinbildung und Studierfähigkeit
Vortragsreihe an der TU Braunschweig im WS 2007/08
Veranstalter: Prof. Dr. Karl-Joachim Wirths, Prof. Dr. Horst Hischer
Stand:
25. 11. 2007
Mi, 23. 01. 2008
20.00 Uhr

Raum SN 19.1
 
  • Prof. Dr. Erich Unglaub
       TU Braunschweig, Institut für Germanistik
       Ein bisschen Deutsch kann jeder!
    Deutsch ist fast immer Abiturfach, zumindest wird jedem Studierwilligen und Studierentschlossenen mit der Hochschulreife attestiert, dass die bis dahin erworbenen Deutschkenntnisse für ein Hochschul- oder Universitätsstudium ausreichen. Dies gilt sowohl für das Studium der allgemeinen Fächer als auch für ein Fachstudium Germanistik.
    Die realen Kenntnisse in den Bereichen der deutschen Sprache und Literatur sind allerdings sehr verschieden, bedingt durch äußerst unterschiedliche Bildungsgänge bis zur Hochschulreife, individuelle Schwerpunktsetzungen in der Sekundarstufe und natürlich unterschiedliche Leistungen. Deutsch ist eben ein Fach, das  –  sofern man eine Hochschulzugangsberechtigung besitzt und kein lokaler Kapazitätsengpass herrscht  –  jedermann studieren kann, notfalls auch mit einer Fünf im Zeugnis. Wie in nur wenigen anderen Fächern können hier Neigung, Gründe der Fächerwahl und Leistungen weit auseinanderklaffen.
    Wo Lehrveranstaltungen in Englisch angeboten werden, ist vielleicht die Kompetenz in der deutschen Sprache ziemlich entbehrlich oder doch nur in peripherer oder privater Kommunikation gefragt.
    Spielt die deutsche Sprache dann doch eine wichtigere Rolle im Studium, sind es die klassischen Fertigkeiten, auf die zurückgegriffen werden muss: Wortschatz, Wortbildung, Begriffsbildung, Idiomatik, Orthographie, Syntax. Hier können die Schulen zwar Kompetenzen vermitteln, aber nur in höchst unsicherer Form garantieren. Deutlich prekärer ist die Situation im Gebrauch der Tempora, der Zeitenfolge und der Modi im schriftlichen Sprachgebrauch. Probleme bereiten natürlich auch die Anwendung standardisierter Schreibformen wie Bericht, Protokoll, Inhaltsangabe, Erörtern eines Sachverhalts. Wer kann ein Ergebnis noch ohne unbeabsichtigte Wertungen in indirekter Rede referieren? Wem gelingt die notwendige Abgrenzung zum Konjunktiv? Das sind Fragen, die auch für Inhalte und Argumente von Bedeutung sind. Auch mündliche Formen der Präsentation und Auseinandersetzung mit Gegenpositionen sind in angemessener deutscher Ausdrucksform noch notwendig. Auch die Kenntnis literarischer Texte in der persönlichen und beruflichen Umgebung sind von Bedeutung. Mit und über sie werden  –  nicht allein, aber doch auch mit Blick auf sie  –  das jeweilige Kulturverständnis und auch die spezifische Kommunikation auch im Studium gesteuert. Sollen wir uns über unsere Vorstellungen, Probleme und Lösungsmöglichkeiten, natürlich auch Utopien, auf dem Weg über die Literatur verständigen können, oder machen wir das in Zukunft nur noch über die Themen Urlaub, Fun, Autos oder DVDs? Es ist die Frage, ob für die Bewältigung von Alltag und Studium nur ein bisschen Deutsch ausreicht, oder ob die Anforderungen ganz andere sind.
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